POW_2045

Helle Strahlen durchschneiden den Raum und ersetzen völlige Dunkelheit. Sie glühen in bedrohlichem Weiß, wenn sie in mathematischer Präzision bis zur Decke reichen. Zwei Männer betreten den Raum, während Scan-Matrizen ihre Körper abtasten. Sie werden in ihre Bestandteile zerschnitten, neu arrangiert und durch Licht manipuliert, bis zu dem Moment, in dem sie beschließen, die Diktatur der Maschine zu brechen und nichts mehr vorzufinden - außer sich selbst.

PREMIERE: 29.06.2014
DAUER: 60 Minuten
CHOREOGRAFIE & PERFORMANCE

Ufer Studios

POW_2045 ist ein Stück der städtischen Choreographen Raphael Hillebrand und Christian Mio Loclair. Es vereint interdisziplinäre Expertise, die von computergenerierter Kunst über wissenschaftliche Mensch-Computer-Interaktion bis hin zu urbaner Choreographie reicht. Das Ergebnis ist ein künstlerisches Portrait unserer heutigen Zeit - ein Duett von Mensch und Maschine.

Der Begriff Pow hat seine Wurzeln in der Computersprache. Er steht für Exponentialfunktionen (Power, Quadrat von) und exponentielle Entwicklung, denen sich unser heutiges Zeitalter stellen muss. Irgendwo zwischen den ersten Personalcomputern, der rasanten Entwicklung des Internets und den Visionen der Transmenschlichkeit im Jahr 2045 geboren, verstehen sich die beiden Choreographen als Teil der ersten Generation, die sich an die Welt ohne ihre allgegenwärtigen digitalen Gesetze nicht erinnern kann. So wurde POW_2045 zu einer Reise, in der die Künstler versuchen, diese Beschleunigung abzuschalten, um ihre Umwelt, sich selbst in Frage zu stellen - auf der Suche nach etwas, das sie nur vom Hörensagen kennen.

Produktion

Die Arbeit POW_2045 erstreckt sich über verschiedene Bereiche von Kunst, Wissenschaft und Design. Um diese Bereiche abzudecken und ineinander zu verweben - beschlossen die Künstler, die Produktionsentwicklung über einen Zeitraum von 8 Monaten in drei Teile aufzuteilen, die jeweils in ihrem eigenen Umfeld entstanden:

  • Der Tanz (Choreographisches Kodierungslabor von William Forsythe)
  • Die architektonische Gestaltung und Technik (Bauhaus Dessau)
  • Die Choreographie (Master of Choreography am HZT Berlin)

The Dance (Choreographic Coding Lab by William Forsythe)

Um ein Duett von Mensch und Maschine zu entwickeln, begannen Christian Mio Loclair (in Zusammenarbeit mit dem Berliner Designstudio "onformative") und Raphael Hillebrand, verschiedene Methoden computergenerierter Choreographie zu untersuchen. Die Hauptfrage lautete: "Wie kann eine Maschine zu einem Partner innerhalb eines künstlerischen Prozesses werden, statt zu einem Effekt, der dem Künstler dient? Wie kann die Maschine choreographische Muster und kreative Lösungen erzeugen und zu einem gleichberechtigten Partner innerhalb künstlerischer Produktionen werden?

Das Ergebnis war eine visuelle Sprache namens "Pathfinder". Diese Anwendung stellt einen generativen Ansatz für strukturierte Improvisation dar, der es Mensch und Maschine ermöglicht, gemeinsam zu improvisieren und ständig nach neuen Formen und Übergängen zu suchen. Die entsprechenden Ergebnisse beschreiben die Grundlage für die körperliche Sprache und den Tanz in POW_2045.

Nach einem Monat intensiven Prototypings wurden die Ergebnisse bei der choreographischen Codierung präsentiert. Das Choreographic Coding Lab (von William Forsythe und Node Forum for digital arts) ist ein Labor für die interdisziplinäre Verschmelzung von Kunst, Technologie und Tanz. Es war der perfekte Ausgangspunkt für die Entwicklung und den Austausch einer engen Beziehung zwischen menschlichen Körpern und digitalen Verfahren.

The Architectural Design and Technology (Bauhaus Dessau)

Um die Beziehung des Künstlers zu Maschinen und digitalen Umgebungen zu veranschaulichen, stellten sich Loclair und Hillebrand eine überwältigende dreidimensionale Installation vor, die die Tänzer wie ein abstraktes Mathezelt im Raum bedeckt. Das Hauptziel war es, eine Form zu schaffen, die "überall" präsent ist und sowohl störende (schneidende) als auch harmonische (umarmende) Beziehungen zu menschlichen Körpern ermöglicht. Daher muss die Installation in der Lage sein, sich im Laufe der Zeit zu verwandeln, neue Perspektiven zu schaffen und sinnvolle Interpretationen zu ermöglichen.

Über einen Zeitraum von 3 Wochen am weltberühmten "Bauhaus Dessau" eingeladen, ließen sich die Künstler von großen Vordenkern des Designs, der Grafik und der Architektur wie Kandinsky und Gropius inspirieren. Besonders die "Stäbetanz" und viele verschiedene Zeichnungen des Architekten Oskar Schlemmer waren eine große Inspiration für POW_2045.

Der Hauptbeitrag dieser Zeichnung von Oskar Schlemmer ist die saubere Trennung der Formen. Das mathematische Konstrukt bedeckt den menschlichen Körper, setzt aber in seiner Genauigkeit und mechanischen Präzision einen Kontrast zu organischen Formen. Diese Art von visuellem Kontrast kann als eine visuelle Darstellung der Unterschiede zwischen Mensch und Computer verstanden werden und enthüllt Kernmerkmale beider - Mensch und Maschine. Eine charakteristische Grundlage für die Gestaltung des Dialogs von POW_2045

Das Bauhaus Dessau inspirierte aber auch den Tanz der Kriegsgefangenen_2045. Schlemmers Architekturstudien erstreckten sich auch auf die Choreographie und zeigen heute eine enge Beziehung zu starren Formen in urbanen Tänzen wie dem Popping.

Um ein offenes Erlebnis von Improvisation und spontanen Momenten zu schaffen, verzichteten die Künstler darauf, klassische Projection-Mapping-Technologien oder Videokunst einzusetzen, um die Installation zum Leben zu erwecken. Stattdessen werden die Projektionsmuster, die die Bühne und die Installation beleuchten, von einem Computeralgorithmus gesteuert. Dieses Programm ist in der Lage, durch den Einsatz von 3D-Kameratechnik das Verhalten des Tänzers zu lesen und die aufgenommenen Informationen in Grafik und Ton zu übersetzen. Somit besteht POW_2045 aus einer engen Kommunikation zwischen den Tänzern und der allgegenwärtigen Installation, um eine kollaborative künstlerische Erfahrung zwischen Mensch und Maschine zu schaffen.

The Choreography (Master of Choreography at HZT Berlin)

Als letzten Schritt der Inszenierung beschloss Hillebrand, seine Magisterarbeit über Choreographie dem Kriegsgefangenen_2045 und den vorangegangenen Untersuchungen zu widmen. Die Hauptherausforderung bestand darin, ein choreografisches Konzept zu erstellen, das das Thema abdeckt, aber komplexe Fragen auf persönliche Interessen reduziert.

"Und wie fühlen wir uns jetzt? Wie fühlen wir uns, wenn alles um uns herum künstlich wird? Wie sehen wir uns selbst und unsere Nähe, wenn wir in Scheiben geschnitten werden? Und vor allem - was passiert, wenn wir einfach aufhören?"

Während eines Zeitraums von 6 Wochen entwickelten die Künstlerinnen und Künstler ihre körperliche Sprache weiter, indem sie ihre konzeptuelle und poetische Sicht auf sich selbst, aufeinander und auf die allgegenwärtige Maschine darstellten. Die daraus resultierenden choreografischen Elemente schaffen eine Verschmelzung von Tanztheater, gesprochenem Wort und urbanen Tänzen wie Bboying und Popping, die von organischem Fluss bis hin zu roboterhafter Präzision reichen.

Um den Dialog zwischen Mensch und Maschine zu reflektieren, bauen die begleitenden Musikstücke eine bidirektionale Beziehung zum Tanz auf. Einige musikalische Elemente diktieren die Choreographie. Musik von Murcof oder Collin Stetson zum Beispiel wird verwendet, um zwischen digitalen und organischen Schaffensmethoden zu polarisieren.

Andere Musikstücke werden von der Choreographie diktiert. In Zusammenarbeit mit dem experimentellen Klangkünstler Johannes Hellberger ("KLING KLANG KLONG") verwendeten Hillebrand und Loclair eine maßgeschneiderte Software und 3D-Kameras, um ihre Bewegungen einzufangen und in Klang umzusetzen.

Die choreografische Produktion von POW_2045 definiert die Endphase des Projekts und fasst die Konzepte, Emotionen und den von Hillebrand und Loclair eingeschlagenen Weg zusammen.

Cast

Software: VVVV (DX11, Kinect, V2 plugin, OSC), Ableton

Choreography & Dance: Raphael Hillebrand and Christian Mio Loclair
Code & Design: Christian Mio Loclair
Music: Johannes Helberger (Kling Klang Klong)
Directing Assistant: Lea Bethke
Costume: Burghard Wildhagen
Technical Direction: Nikola Pieper